Aus einer anderen Welt

Die U11 auf Großfeld. Die U9 auf dem Kleinfeld aber mit richtigem Keeper in einem in der Höhe verkleinerten Tor. Bei klaren Rückständen durfte bei der unterlegenen Mannschaft ein Feldspieler mehr in den Ring. Das Play-for-Joy-Turnier im tschechischen Tachov. Und der Nachwuchs des SC DHfK Leipzig mittendrin.

von Mathias Liebing

Die NachwuchstrainerInnen des SC DHfK Leipzig Tino Scholz, Laura Römer, Lukas Richter und Moritz Götze sprudeln nur so, wenn sie von ihren Eindrücken an den „Play for joy„-Turnieren im tschechischen Tachov berichten. Gegen die Nachwuchsteams von Top-Clubs wie Tatran Stresovice, Sparta Prag oder Akademie Karlovy Vary hatten die beiden Jugendmannschaften des deutschen Zweitligisten sportlich zwar wenig auszurichten, umso mehr inspirierte die frühe Auslandserfahrung aber die Coaches.

Im Interview äußern Tino Scholz und Laura Römer, deren U9 im Turnier immerhin Vorletztes von zehn Teams wurde, weshalb sie den Kleinfeld-Modus auch im deutschen Spielbetrieb der Allerkleinsten bevorzugen würden. Und Lukas Richter sowie Moritz Götze, deren U11 gegen die übermächtige Konkurrenz kleine Erfolge im Tore verhindern feierte und im letzten Spiel einen eigenen Treffer erzielte, sehen in der frühen Einführung des Großfeldes einen Schlüssel für spätere sportliche Erfolge für deutsche Club- und Auswahlteams.

Interview mit U11-Trainern

Floorballmag: Bei eurem Turnier in Tachov habt ihr mit dem U11-Team auf Großfeld gespielt. Wie schwer fiel es den Kids, sich darauf einzustellen?

Lukas Richter: Wir haben die gesamte Saison über immer wieder auf dem Großfeld trainiert und mit der Mannschaft dahingehend etwas experimentiert. Somit war es für die Jungs keine neue Sache. Wir hatten einen Plan und waren auf das Turnier gut vorbereitet. Die Jungs haben dann auch alles ihnen, im derzeitigen persönlichen Leistungsstand, Mögliche umgesetzt. Woran sie sich gewöhnen mussten, war die Geschwindigkeit des Spiels und dass sie praktisch permanent in Zweikämpfe verwickelt waren. Nach dem ersten Spiel war dann aber allen klar, dass man hier über die gesamte Spielzeit Vollgas geben muss.

Wie viele Kinder wollten beim nächsten Training oder Spieltag wieder auf dem Großfeld ran? Wie fiel das teaminterne Feedback aus?

Lukas Richter: Schon seitdem wir Großfeld das erste Mal trainiert haben, gibt es im Training Enttäuschung, wenn wir auf Kleinfeld und/oder kleine Tore trainieren wollen. Das Großfeld kommt bei den Jungs super an. Das teaminterne Feedback für das Turnier war durchweg positiv. Wir wussten ja, auf was wir uns da einlassen und haben die Kinder entsprechend vorbereitet. Nach den Niederlagen waren alle trotzdem stolz und glücklich. Alle haben einfach die gesamte Zeit über gekämpft und nicht aufgegeben. Das war wichtiger als auf die Ergebnisse zu schauen.

„Insgesamt viel wichtiger ist aber, dass man einen Torhüter hat und nicht Mixed, also auf kleine Tore, spielt.“

Welche Schwächen hat das Spiel auf dem großen Feld gegenüber der für euch im Liga-Alltag obligatorischen Mixed-Variante? Welche Stärken sind euch aufgefallen?

Lukas Richter: Die Diskussion, ob man Großfeld oder Kleinfeld spielt, ist sicher sehr schwierig zu führen. Beides hat Vorteile. Sicher ist es bis zur U9 richtig, auf dem Kleinfeld zu spielen, ab U11 sollte man aber langsam mit dem Großfeld beginnen. Ansonsten ist es wahrscheinlich so, dass einzelne, sehr gute Spieler auf dem Großfeld nicht ganz so herausstechen können, das Team ist etwas wichtiger. Außerdem müssen die Spieler früher schon einen größeren körperlichen und geistigen – sprich taktischen – Einsatz bringen. Insgesamt viel wichtiger ist aber, dass man einen Torhüter hat und nicht die „Mixed“-Variante, also auf kleine Tore, spielt. Die ist für den Schulsport geeignet, sollte aber im Verein nicht mehr angewendet werden. Einige Landesverbände setzen dies meines Wissens bereits um.

Moritz Götze: Eindeutige Schwächen des großen Feldes sind die erforderliche Anzahl der Kinder, um mindestens zwei Linien stellen zu können und einen Torhüter. Das Großfeld bietet den Kindern auch nicht die Möglichkeit am Stickhandling großartig zu arbeiten. Des Weiteren ist der Unterschied zwischen den einzelnen Entwicklungsständen der Kinder bei einem Großfeld deutlicher zu sehen, als beim Kleinfeld. Stärken des Großfeldes sind aus meiner Sicht, dass die Kinder früh erkennen, wo ihre Laufwege sein sollten. Den freien Raum auch ohne Ball erkennen müssen. Allgemein lernen die Kinder, dass der Weg ohne Ball sehr wichtig ist.

Welche der Erfahrungen wären es wert, in Zukunft im deutschen Nachwuchsspielbetrieb umgesetzt zu werden?

Lukas Richter: Wie schon genannt, ganz klar das Spielen mit einem richtigen Torhüter in den Ligen der U9 und U11. In Tschechien werden für die U9/U11 die Tore in der Höhe mit Plastikaufsätzen verkleinert. Das sollte auch in Deutschland möglich sein, dann müssten Vereine nicht die mittelgroßen Tore besorgen. Leider sind da die Landesverbände in Deutschland nicht einheitlich unterwegs und es fehlen Vorgaben von Floorball Deutschland.

Moritz Götze: Aus meiner Sicht können die Kinder dann in den späteren Altersklassen mit anderen bzw. wichtigeren Aufgaben in Verbindung gebracht werden. Für das Wachstum der Sportart sollte man sich aus unserer Sicht an die Jugendarbeit im Ausland orientieren, dass führt möglicherweise dann auch zu einer qualitativen Annäherung zu den Top-Nationen. Als Beispiel ist hier der U19-Weltmeister Tschechien aufzuzählen. Am Ende kann das auch zu mehr Interaktionen zwischen einzelnen Vereinen im Ausland führen, wie im Beispiel Tachov und Leipzig zusehen ist.

Wie kam die Turnierteilnahme in Tachov zu Stande und habt ihr vor Ort die Kontakte gefestigt oder sind weitere Connections entstanden?

Lukas Richter: Die Organisatoren des Turniers haben uns einfach angeschrieben und gefragt, ob wir teilnehmen wollen. Für das nächste Jahr haben sie uns vor Ort praktisch wieder eingeladen und wenn es der Spielplan hergibt, werden wir auch sehr gerne wieder teilnehmen. Außerdem konnten uns von den Veranstaltern ein paar Kontakte für unsere U17 Mannschaft vermittelt werden. Wenn es klappt, wird sie sich noch einmal mit einem Testspiel in Tschechien auf die Heim-DM vorbereiten.

Foto: Karsten Reiche

Interview U9-TrainerInnen

Im U9-Turnier habt ihr auf dem Kleinfeld gespielt. War es schwierig einen Spieler für die Position im Tor zu gewinnen und wie hat sich derjenige angestellt?

Floorballmag: Tino Scholz: Das war gar nicht schwierig. Nach anfänglicher Zurückhaltung wollten dann doch einige Kinder ins Tor. Die Torhüterausrüstung auszuprobieren, speziell die Goaliemaske, fanden unsere Spieler ziemlich cool. Schlussendlich stand bei uns Florian im Tor und hat seine Sache sehr gut gemacht. Wir hatten im Vorfeld eine Handvoll Trainingseinheiten mit abgehängtem Großtor im Programm, was geholfen hat. Ausschlaggebend war aber sicherlich der Umstand, dass Florians großer Bruder bei uns im Verein auch Torhüter ist.

Laura Römer: Dafür, dass Florian wirklich auch erst wenige Wochen im großen Tor trainiert hat, war seine Leistung in Tachov überragend. Wie alle anderen aus der Mannschaft ist er über sich hinaus gewachsen. Es war wirklich toll mit anzusehen, wie er sich im Tor gemacht hat. Da waren auch einige Aktionen dabei, wo so mancher sprachlos war.

Inwiefern waren euch die Teams aus Tschechien überlegen und was haben eure Spieler daraus dort gelernt?

Tino Scholz: Viele der Teams, die wir kennengelernt haben, sind uns sowohl auf der technischen als auch auf der taktischen Ebene mehr als nur eine Altersklasse voraus. Einige Nachwuchsspieler der großen Clubs aus Prag oder Karlovy Vary spielen seit ihrem dritten Lebensjahr Floorball im Verein. Der Großteil unserer U9 ist aktuell in ihrem ersten Jahr. In Tachov haben wir unseren Kampfgeist in die Waagschale geworfen und uns auch bei großen Rückständen nicht beirren lassen. Wir waren sehr von unserer Mannschaft beeindruckt, auch bei großen Rückständen wollten sie unbedingt noch eigene Tore schiessen. Für uns interessant war auch, dass tschechische Mannschaften im Zweikampf ballorientiert agieren, in Deutschland ist man da oft einen eher körperorientierten Zweikampfansatz gewohnt.

Laura Römer: Die Mannschaft hat an diesem Tag auch eine große mentale Leistung vollbracht. Klar ist, dass nach einem zweistelligen Endstand bei vielen die Köpfe hängen, dennoch hat sich niemand aufgegeben und ordentlich dagegen gehalten. Für die Kids war es ein Erlebnis, dass keiner so schnell vergisst. Zu sehen, was andere in ihrem Alter schon können, hat Eindruck hinterlassen und vielleicht bei dem ein oder anderen auch den Ansporn gegeben, selbst einmal so gut zu werden – oder sogar besser.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass so eine Variante langfristig gesehen unseren Nachwuchsmannschaften mehr Qualität verleiht.“

Im Turnier wurde die Regel angewandt, dass die unterlegene Mannschaft bei einem höheren Rückstand einen vierten Feldspieler einwechseln konnte. Haben die Kids diese „Ungleichbehandlung“ bemerkt und wie hat das die Spiele verändert?

Tino Scholz: Unser Team hat das sehr oft bemerkt, bei zwei oder drei Spielen haben wir ab der zweiten Minute in Überzahl gespielt (Tino grinst). Den Kids war dann aber schon bewusst, dass man mit einem zusätzlichen Spieler auch gleich deutlich mehr Möglichkeiten hat.

Laura Römer: Als ungerecht haben sie es dennoch nicht empfunden. Auch mit einem Spieler mehr hatten sie noch ordentlich zu tun. Spaß gemacht hat es ihnen trotzdem.

Persönliche Frage: Würdest du dir wünschen, dass ihr in der nächsten Saison quasi als Feldversuch die Kleinfeld-Variante mit den im oberen Bereich verblendeten Toren spielen können dürftet? Wenn ja warum?

Tino Scholz: Ja, das würde ich sehr begrüßen. Ich bin der festen Überzeugung, dass so eine Variante in U9/U11 langfristig gesehen unseren Nachwuchsmannschaften in Deutschland mehr Qualität verleiht. Man kann verstehen, dass einige Verein die Ausgaben für Tore und Goalieausrüstung scheuen. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir uns in den Vereinen von der klassischen Schulvariante (Mixed) abheben sollten. Unabhängig davon glaube ich, dass die Jungen und Mädchen das Floorball-Spielsystem viel leichter verstehen. Die Spieleröffnung ändert sich dadurch, der Torhüter und damit auch der Schutzraum vor dem Tor wird respektiert. Das ständige „Getümmel“ vor dem Tor mit dem damit verbundenen Stockschlagfestival hört auf. Wenn ein fester Torhüter zum Einsatz kommt, wird auch das Rollenverständnis der Feldspieler geschärft. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir damit unsere Nachwuchsteams deutlich früher nachhaltig weiterentwickeln können.

Laura Römer: Wir haben gesehen, wie viel Spaß es den Kindern macht, auf richtige Torhüter zu spielen. Es ist eben doch etwas anderes, ob da jemand mit Schläger vor einem kleinen Tor steht oder ein richtiger Goalie mit Ausrüstung einem die Bälle wegfischt. Wir haben inzwischen die Möglichkeit, ab der U9 mit den Kids zu arbeiten. Warum das also nicht voll ausnutzen? Ab der U13 müssen die Spieler sowieso mit einem richtigen Torhüter spielen. Fängt man schon bei den Kleinsten damit an, wirft man sie später nicht ins kalte Wasser. Die Torhüter haben auch mehr Zeit und Gelegenheit, sich zu entwickeln. Man kann den Kindern von Anfang an zeigen, was es wirklich heißt, Floorball zu spielen und zwar in der Gesamtheit des Sports. Turniere wie das in Tachov zeigen uns, dass es möglich ist, diesen Modus umzusetzen.

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