Luft nach oben

Mit dem vermeintlich jüngsten Kader der Liga eroberte das Hamburger Trainerpaar Nilsson und Wittneben den fünften Tabellenplatz und damit etwas unerwartet auch die Teilnahme an den Playoffs. Dabei wirkte der ETV in den ersten Bundesliga-Runden noch wie ein klarer Abstiegskandidat. Nilsson sieht sein Team aber noch nicht am Ziel. „Unsere Hochform haben wir noch nicht erreicht“, sagt der Schwede.

Johan, nach der Overtime-Niederlage in Berlin, hattet ihr schon angefangen die Segen zu streichen. Wo kam der Aufwind danach her?

Unsere Mannschaft ist jung und wir haben uns seit der Vorbereitung für ein Weg entschieden, der nicht unbedingt leicht ist. In den ersten Monaten sind wir trotz vielen Niederlagen unserem Weg treu geblieben, weil wir eine positive Entwicklung gesehen haben. Seit Januar analysieren wir den Gegner deutlich intensiver und bereiten uns auf die Spiele besser vor. Das Ergebnis war sofort spürbar und in der Rückrunde gab es eigentlich nur ein schlechtes Spiel und das war auswärts gegen Berlin. Das hat uns aber nur mehr Motivation für die letzen Spielen gegeben.

Zum Abschluss gab es sogar einen Derbysieg gegen Schenefeld, mit dem ihr euch oft schwer getan hattet. Hat das Team jetzt seine Hochform erreicht?

Das Spiel gegen Schenefeld war sicherlich nicht einfach, aber wir waren sehr gut vorbereitet und die Jungs haben die Sache sehr gut umgesetzt. Obwohl wenn das Spiel unnötig lange spannend blieb, war ich nie unruhig. Ich war mir sicher, das wir am Ende gewinnen werden. Aber ich sehe bei der Mannschaft noch viel Luft nach oben und unsere Hochform ist sicherlich noch nicht erreicht.

Eure Mannschaft ist extrem jung, wahrscheinlich die jüngste der Liga. Muss man die Mannschaft dabei etwas sensibler führen?

Unsere Jungs sind gut ausgebildet und sehr talentiert. Das wussten Mathis Wittneben und ich als wir im Juni letztes Jahr die Mannschaft übernommen hatten. Die Abteilung arbeitet seit Jahren an der Ausbildung von Kindern und wir erleben wahrscheinlich jetzt die Ankunft des stärksten Jahrgangs der Vereinsgeschichte. Wenn wir uns den Kader U19-Nationalmannschaft ansehen, ist das eine weitere Bestätigung unserer Arbeit. Aus Hamburg stammen fünf Spieler, vier davon sind noch bei uns aktiv.

Noch kassieren wir zu viele Gegentore durch eigene Fehler. Die müssen wir minimieren.

Siehst du darin einen Unterscheid zu anderen Bundesligisten?

Ich glaube, viele Vereine unterschätzen den Wert guter Jugendarbeit. Oder besser gesagt, sie denken zu kurzfristig, vielleicht zu erfolgsorientiert. Die Förderung eines jungen Teams sollte wichtiger sein als ein Sieg oder eine Meisterschaft. Zumindest aus der Sicht des Trainers oder der Vereinsleitung. Das bedeutet, man muss jungen Spielern Spielzeit geben. Man muss versuchen, eine breite Jugend auszubilden, nicht nur ein paar wenige Talente zu fördern. Deutschland braucht mehr Vereine und die überleben nur wenn sie über gute Jugendarbeit wachsen. Dann kommt automatisch auch eine schlagkräftige Großfeldmannschaft zu Stande.

Welche Rolle spielen die erfahrenen Spieler in eurem Team?

Ich glaube, es hilft bei wichtigen Partien routinierte Spieler dabeizuhaben. Aber ich bin der Meinung, dass es am Ende um eine Teamleistung geht und darum, wie die Mannschaft zusammen funktioniert. Viele bei uns sind sehr jung. Aber wenn ich ein Spiel neutral betrachte, sehe ich engagierte Sportler. Man merkt kaum, dass es für viele die erste Saison in der Bundesliga ist. Die sind alle sehr mutig, haben Wille und sind motiviert.

Wie fühlt es sich eigentlich an, in derselben Stadt zwei Bundesliga-Vereine zu haben? Steigert die Konkurrenz die Nachfrage, spielt Floorball damit eine größere Rolle in den lokalen Presse oder nehmt ihr euch gegenseitig eher Talente weg?

Ein Derby ist immer etwas besonderes, nicht nur für die Spieler und Fans. Es schafft Attraktivität und Interesse, die unserem Sport natürlich helfen. Bei beiden Spielen gegen Schenefeld haben wir im Hamburger Abendblatt viel Platz bekommen.

Man kommt miteinander also zurecht.

Die Rivalität zwischen den Herren-Teams sollte da sein. Aber man könnte auch viel mehr voneinander profitieren und gemeinsam junge Spieler fördern. Am Ende geht es doch um unseren Sport und wir brauchen Qualität und Quantität. Es geht um ein Hobby und da ist es wichtig, dass die Spieler sich wohlfühlen und Spaß haben. Ich habe nie versucht ein Spieler zu überreden, in meiner Mannschaft zu spielen. Wenn eine solche Situation nebenbei entsteht, muss ein Dialog geführt werden, was das Beste für den jeweiligen Spieler ist. Wenn er sich woanders besser entwickeln kann, akzeptiere ich es nicht nur, sondern helfe ihm auch gern.

Im Viertelfinale wartet nun Lilienthal. Der Cupsieger. Wenn man sich eure bisherigen Spiele ansieht, wäre ein Erfolg aber nicht unmöglich, oder?

Wir sind gut in Form und haben über die Saison hinweg eine tolle Entwicklung gemacht. Junge Spieler übernehmen die Verantwortung und werden zu Leistungsträger. Lilienthal ist sicherlich der Favorit. Aber wenn wir gemeinsam als Team unser Ding machen, können wir ein sehr unangenehmer Gegner werden. Unsere Ziel ist klar: Wir wollen ins Halbfinale.

Worauf wird es ankommen? Was macht Lilienthal stark? Last-Second-Tore?

Lilienthal ist eine starke Mannschaft. Neben den individuellen Stärken kämpfen alle füreinander. Das zeichnet Lilienthal seit Jahren aus. Ich hoffe auf spannende und gute Spiele wo wir unseren Plan umsetzten können. Noch kassieren wir zu viele Gegentore durch eigene Fehler. Die müssen wir minimieren.

Den Cupsieger kennen wir schon. Wer wird Meister?

Selten war der Kampf an der Spitze so breit wie dieses Jahr. Vielleicht gibt es ja eine Überraschung aus dem Norden.