Schenefeld möchte die Bundesliga unterbrechen und offenbart wie kompliziert alles sein kann, wenn es keine gemeinsam abgestimmten Regeln gibt. Der Verband hat mittlerweile reagiert, eine einheitliche Lösung ist aber unabdinglich. Was jetzt wohl ansteht und warum das alles irgendwie an einen leeren Rasierer erinnert.
Eigentlich läuft der Laden noch. Trotz steigender Zahlen gibt es seitens der Politik keinerlei Einschränkungen im innerdeutschen Verkehr, Quarantäne droht nur bei Reisen aus dem Ausland, Wettkampfspiele können abgehalten werden, notfalls ohne Zuschauer. Die Bundesliga kann also noch funktionieren.
Doch irgendwie erinnert die aktuelle Situation an einen leeren Rasierer. Das Brummen klingt von Zug zu Zug müder und immer häufiger bleibt ein Stoppel in den Klingen hängen. Autsch! Bald ist Schluss. Autsch! Wo ist das Ladegerät?
Schenefeld schafft Tatsachen
Vor einigen Wochen hatte Schriesheim bereits darauf hingewiesen, dass die Ansetzung in Berlin überdacht werden sollte, da einige Spieler in Rheinland-Pfalz wohnten und ihnen deshalb Quarantäne drohe. Inhaltlich war der Hinweis zwar nicht ganz korrekt, eine Quarantäne droht nicht, das Schreiben deutete aber schon an, was kommen könnte. Auch Weißenfels soll zuletzt Bedenken zum Auswärtsspiel in Chemnitz geäußert haben.
Am gestrigen Mittwoch schaffte Schenefeld dann aber Tatsachen. In einem umfassenden Schreiben verkündet der Aufsteiger: „Obwohl der Sport bisher nicht offiziell von den (politischen; Anm. d. Red.) Entscheidungen betroffen ist, wird das Bundesliga-Team von Blau-Weiß 96 Schenefeld aufgrund der aktuellen Entwicklung vorübergehend keine Spiele in der 1. Floorball-Bundesliga und im FD-Pokal bestreiten.“ Das habe man bei einer außerordentlichen Mannschaftssitzung so beschlossen.
Schenefeld argumentiert umsichtig und im Gemeinwohl. Es geht um Verminderung der Kontakte, Schutz von Familienangehörigen der Spieler, Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit, Bewusstsein für die gesamtgesellschaftliche Lage und Verantwortung für persönliches Handeln. Es wird sogar die Bundeskanzlerin zitiert, die darum bittet, auf jede Reise zu verzichten, die nicht zwingend notwendig ist.
Freiwillige Unterbrechung
Die Stellungnahme des Vereins ist sicherlich völlig berechtigt. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob ein Floorball-Spiel, bei dem sich zwei Mannschaften treffen, die sowieso untereinander trainieren, wirklich gefährlicher ist, als der Alltag, den die dann nicht aktiven Spieler leben werden. Bleiben sie wirklich zuhause? Vermeiden sie deutlich gefährlichere Ansteckungsherde wie öffentliche Verkehrsmittel oder den eigenen Freundeskreis? Fakt aber ist, dass Bundesliga-Spiele nicht wirklich systemrelevant sind und ihre Verschiebung zumindest theoretisch die Verbreitung des Virus eher eindämmt als dass sie sie beschleunigt.
Die Sache birgt aber zwei Stolpersteine. Zunächst ist es die Art und Weise, wie Schenefeld Gegner, Verband und alle anderen Teilnehmer vor eine einseitig beschlossene Sache stellt. Nichts hätte einem Aufruf zum Dialog im Wege gestanden, etwa einer kurzfristig einberufenen Telefonkonferenz. Auch hätte man mit beiden Gegnern zumindest über eine Verschiebung diskutieren können. Schließlich steigen die Zahlen der Infizierten zwar stetig, aber konstant. Die aktuelle Situation war also bereits vor einer Woche absehbar gewesen.
Hinzu kommt, dass es eigentlich keinen formellen Tatsachenbestand gibt, der es Schenefeld ermöglicht, ein Spiel abzusagen. Auch die Rechtslage, die den Wettkampfsport unter den aktuell geltenden Bedingungen regelt, gibt weder eine entsprechende Weisung noch ein Verbot vor. Schenefelds Motiv ist also lobenswert, die Umsetzung leider eher ungeschickt. Autsch! Wieder ein Stoppel hängen geblieben.
Klare Regeln notwendig
Die Schuld liegt aber nicht nur im Norden. Denn die Situation offenbart den dringenden Handlungsbedarf. Vereine und Dachverband hätten von Beginn der Saison an einen durchgängigen Dialog pflegen müssen, in dem man alle zwei Wochen die Lage bewertet und derartigen Kommunikationsstau gar nicht aufkommen lässt.
Doch der Verband reagierte schnell. Noch am selben Tag verkündete die SBK, dass der Spielbetrieb aller Ligen sowie des Pokals fortgeführt werde. Vereine hätten aber die Möglichkeit zu einem Spiel nicht anzutreten, wenn ein gesetzliches Verbot sie daran hindert oder die Inzidenzrate am Austragungsort oder im Landkreis des Gastteams größer als 50 pro 100.000 Einwohner ist. Der Wert muss am Donnerstag um 0 Uhr oder später festgehalten werden.
Tatsächlich handelt es sich eher um eine salomonische Lösung, eher um eine kurzfristige Entschärfung als ordentliche Lösung. Vereine wie Schenefeld, die jetzt kurzfristig absagen wollen, können dies unter den obigen Bedingungen tun. Es drohen keine Konsequenzen. An der SBK-Sitzung, am kommenden Montag, muss aber eine einheitlich und praktikable Lösung her. Denn noch ist vieles unklar.
Können Teams also noch am Freitag oder sogar Samstag ihren Nichtantritt verkünden? Wer trägt die bereits entstandenen Kosten für Reisebuchungen oder das Aufbereiten des Heimspiels? Und ist es fair, dass Vereine, deren Gebiete weniger von Corona betroffen sind, frei wählen dürfen, ob ein Spiel ausgetragen wird – vielleicht mit bewusster oder unbewusster Rücksicht auf ihre sportliche Situation? Und der Gegner muss parieren? Man wird Lösungen finden müssen.
Der Kalender wird eng
Sollte die Saison aber bereits unter Bedingungen unterbrochen werden, die Absagen gesetzlich erstmal nicht zwingend erfordern, ist es hochwahrscheinlich, dass der Spielplan nicht wird eingehalten werden können. Schenefeld empfiehlt deshalb, auch zwecks Planungssicherheit, die kompletten Spieltage zu verschieben und zum Ende der Saison hin ggf. auf Playoffs und Playdowns zu verzichten.
Eigentlich hat der Verband bereits eben für diese Situation eine Weisung formuliert. Können Playoffs nicht gespielt werden, gilt die Schlusstabelle. Doch bedeutet dies, dass schon jetzt Spieltage der Hinrunde auf Playoff-Termine verschoben werden können?
Gewiss, nur die Ruhe bewahren. Besonnenheit und Einsicht werden dieses Jahr wichtige Tugenden sein. Vereine und Verband müssen aber klare Regeln schaffen, was unter welchen Bedingungen gilt und passiert. Sie müssen detailliert und im Zweifel hoch hypothetisch formulieren. Denn was diese Saison alles passieren kann, weiß niemand. Autsch!