Warum Floorball Livestreams braucht

Die kommende Saison verbirgt sich aktuell noch hinter einer dichten Coronawolke. Einige Dinge sind aber bereits jetzt absehbar, darunter ein temporärer Ausschluss der Öffentlichkeit aus den Hallen. Aber nicht nur deshalb sollten Vereine und Dachverband jetzt rechtzeitig und gemeinsam anfangen, eine Livestream-Plattform zu bauen. Realistische Lösungen gibt es dafür mittlerweile genug.

Die Bundesliga per Livestreams zu übertragen, wenn möglich sogar mit anschließenden Highlights, Toren des Monats oder ähnlichen Häppchen, ist ein andauerndes, mal kurz verschwindendes, aber immer wiederkehrendes Thema. Bislang haben sich die Argumente dagegen jedesmal durchsetzen können. Die Zuschauerzahlen wären zu niedrig, der technische Aufwand zu groß, man bräuchte zusätzliche Helfer… ach, ist doch viel zu kompliziert, lassen wir’s lieber sein. Sozusagen alle Schwächen der deutschen Floorball-Entwicklung in einem Fall. Doch vielleicht könnte die Coronakrise ein hilfreicher Trigger sein, um dieses Thema endlich anschieben zu müssen. Denn tatsächlich gibt es mindestens drei gute Gründe, weshalb der Bundesliga und damit auch dem ganzen deutschen Floorball Livestreams gut täten.

1. Reichweite und Service für ZuschauerInnen

Kaum eine wissenschaftliche Institution zweifelt im Augenblick daran, dass sämtlicher Sportbetrieb über viele Monate, und vermutlich auch über den Großteil der kommenden Saison, wird ohne anwesende Zuschauer auskommen müssen. Werden also Bundesliga-Partien, das Vorzeigeprodukt unseres Sports, komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden? Werden Topspiele und Traumtore nur in den Erinnerungen der Spieler, Schiedsrichter und vielleicht der Hausmeister überdauern? Sicher, vielleicht passiert das Unerwartete und alles wird gut. Tore offen. Zuschauer rein. Und dann? Wartet man mit der Digitalisierung bis zur nächsten Pandemie?

Die Befürchtung, die einzigen echten ZuseherInnen seien sowieso immer in der Halle dabei, die Zahlen der Livestream-Besucher wären also verschwindend gering, haben in dieser Saison die Hamburger Piranhhas eindrucksvoll widerlegt. Regelmäßig landeten die Livestreams (vor allem auch dank späterer Aufrufe) bei über 1.000, manchmal über 2.000 Streams. Hätte man noch Highlight-Clips veröffentlicht, wäre man insgesamt (auch wenn die Zuschauerzahlen der ganzen Spiele gesunken wären) bei noch größeren Reichweiten gelandet. Man stelle sich jetzt vor, es würde sich um ein verbindliches, bundesligaweites Modell mit einer zentralen Plattform handeln. Mit den Zugriffszahlen von Handball oder Basketball kann man gewiss nicht konkurrieren, aber darf man auf ein solches Instrument aus Bequemlichkeit verzichten?

2. Plattform für Vermarktung

Möchte man die Vermarktung der Floorball Bundesliga, immerhin Spitzenwettbewerb des deutschen Floorballs, mittlerweile ausgerüstet mit solidem sportlichen Niveau sowie brauchbaren Zuschauerzahlen, knapp zusammenfassen, dürfte man mit „nicht vorhanden“ oder sogar „desolat“ ganz gut verfahren. Die Schuld daran tragen irgendwie alle beteiligten Organe – allen voran der Dachverband, der nunmal für den Wettbewerb in erster Reihe verantwortlich ist. Ebenso versagt haben aber der mittlerweile berühmt berüchtigte, weil scheintote Bundesligarat sowie aber auch die Bundesliga-Vereine selber, die bislang nur wenig bis keine Eigeninitiative zeigten.

Um Sponsoren anzulocken, braucht der Dachverband aber Inhalte, und Inhalte brauchen Plattformen. Inhalte liefert die Liga eigentlich genug, alleine Spiele und Statistiken sind ausreichend Stoff, um den Wettbewerb in einem guten technischen Rahmen gewinnbringend zu vermarkten. Vorausgesetzt, dass die Vereine an konstruktiven Lösungen interessiert sind, könnte der Dachverband dafür einige zentrale Werbemittel beanspruchen, die zunächst in einen eigenen Bundesliga-Fonds fließen würden – der könnte beispielsweise externe Schiedsrichter oder eben digitale Plattformen bezuschussen, wie Bundesliga-Website, Statistik-Tools oder eben Livestreams. Letztere, so schließt sich der Kreis dann auch, wäre aber Voraussetzung, um überhaupt vermarktbare Inhalte zu schaffen.

Am Ende wird es weniger um einzelne Spiele oder Posts gehen, also das Interesse des Einzelnen. Denn den einzigen, wirtschaftlich ernsthaften Wert haben die deutschen Bundesligisten nur gemeinsam. 1.000 Zuschauer sind vielleicht eine Kiste Freibier wert. Doch kumuliert man Spiel um Spiel, Runde um Runde, kann am Ende eine fünf- vielleicht sogar sechsstellige Reichweite herauskommen. Und wir reden nur von den Livestreams. Ein Partner, der Werbeflächen im Einspieler oder sogar Namensrechte an Sonderformaten bekommt, und in der Floorball-Community auch seine Zielgruppe erkennt, wird dann auch bereit sein, erste wirklich hilfreiche Beträge zu zahlen.

3. Taktische Ausbildung

Wer in Livestreams nur unwichtigen Schnickschnack sieht, der von der sportlichen Entwicklung ablenkt, irrt. Denn obwohl die Bundesliga mittlerweile zahlreiche Talente hervorgebracht hat, große teamtaktische Leistungen sind eher Mangelware. Zwar nehmen mittlerweile fast alle Teams ihre Spiele auf, die taktische Aufarbeitung liegt dann aber meist in den Händen des TrainerInnen-Stabs. Stünde grundsätzlich mehr Videomaterial zur Verfügung, ob nun als ganze Spiele oder „nur“ als Highlights, würde dies auch der Ausbildung gut tun – im Übrigen auch jener der Schiedsrichter, die ebenso bitter nötig ist.

Nun gibt es mittlerweile zahlreiche Wege, wie ein Wettbewerb eine zentrale Livestream-Plattform aufbauen kann. Die vermeintlich einfachste Lösung ist eine abgestimmte Kollaboration mit sportdeutschland.tv. Dieses Projekt des DOSB bietet unter bestimmten Umständen nicht nur kostenlose Technik im Verleih an, sondern würde es auch in der ersten Phase ermöglichen (trotz einheitlicher Plattform), jedem Verein ausreichend Spielraum zu lassen, einen Livestream mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln umzusetzen. Mindestaufwand in Reinform. Übrig blieben (sofern nicht über ein bestehendes WLAN gestreamt werden kann) nur noch Internetkosten, die bei unlimitierten Flatrates bei etwa 80 € monatlich liegen, bei Guthaben-Lösungen sogar noch darunter.

Eine weitere Option sind kommerzielle Streaming-Partner, etwa der in Deutschland aktuell bekannteste Airtango. Dieser bietet eine Plattform an, die individuell lokale Werbung der jeweiligen Heimmannschaft abbilden kann oder sogar mit automatischen Kameras arbeitet, die ohne Bedienung funktionieren. Aktuell betreut Airtango Wettbewerbe wie die 2. Basketball Bundesliga oder die Deutsche American Football Liga. Vereine müssten jeweils etwa 5.000 € für die Technik kalkulieren, der Verband würde die Plattform bezuschussen. Eine aufwendigere Maßnahme, die dann auch tatsächlich auch ein ganzheitliches Kommunikationskonzept benötigt, dessen Teil sie wäre. Aber wieder sind wir beim Spruch des Augenblicks: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wie weiter?

Es ist absehbar, dass der eine oder andere Verein erneut mit Einwänden kommen wird, dass man selbst noch nicht soweit sei, dass man doch gerade genug Helfer habe, um einen Spieltag überhaupt über die Runden zu bringen. Nun, vermutlich muss man dann die Frage nach dem eigentlichen Anspruch stellen. Denn dieselben Sätze hatte es schon vor drei, fünf und sieben Jahren gegeben. Ist ein Verein, der in der höchsten Spielklasse antreten möchte, es aber nicht gebastelt bekommt, selbst den günstigsten Livestream umzusetzen, dann wirklich bundesligatauglich?

Dass nicht nur sportliche Leistungen darüber entscheiden dürfen, ob ein Team in die nächst höhere Liga gehört, ist mittlerweile Konsens, schwarz auf weiß verankert in den entsprechenden Durchführungsbestimmungen. Ohne eine adäquate Spielstätte, Sanitäter oder eigene Schiedsrichter gibt es Strafen, warum also nicht auch für solche Aufgaben, die zumindest dem einfachsten Selbstverständnis der Liga und der ach so innovativen Sportart gerecht werden?

Aber zum Schluss die wichtigste Frage: Wer kümmert sich darum? Eigentlich muss die Initiative vom Dachverband kommen, da dieser den Wettbewerb organisiert und auch bestimmen kann, welche Vermarktung im Einklang mit gültigen Verträgen ist. Dennoch spricht nichts dagegen, dass motiviertes Fachpersonal aus den Reihen der Vereine oder von außerhalb hervortritt. Jemand wird einen Case bauen, Zahlen zusammenfassen, einen Leitfaden formulieren und einen Zeitplan vorschlagen müssen. Diesen würden Verband und Vereine danach abstimmen, im Anschluss absegnen und als geltendes Regelwerk verfassen. Freiwillige vor.

Foto: Jacob Bestgen