Vielvölkerstaat

Es war ein schöner, aber trotzdem seltsamer Anblick, der vieles über die deutsche Floorballszene verriet. Während die Fanblöcke der meisten Länder in einheitlichen Nationalfarben strahlten, war die deutsche Fankurve ein bunter Flickenteppich. Warum eigentlich?

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Über zu wenige Fans hatte sich die Deutsche Nationalmannschaft in Prag wirklich nicht beschweren können. In den Katakomben der O2-Arena lief einem alle zehn Meter ein bekanntes Gesicht über den Weg. Hamburg, Weißenfels, Dresden, Chemnitz, Leipzig, viele aus Berlin und Bonn, aber auch Halle, Bremen und anderen Hochburgen. Der deutsche Anhang war hinter den Top4-Nationen der eindeutig zahlreichste. Mehrere hundert an der Zahl. Hut ab vor allen Angereisten.

„Sag mal, verkaufen die bei euch keine Fantrikots?“, fragte mich ein tschechischer Freund, der mit mir das letzte Deutschland-Spiel gegen Lettland besuchte. Der deutsche Fanblock war wie gesagt zahlreich und schwenkte die eine oder andere Fahne. Viele Wangen waren mit der schwarz-rot-goldenen Trikolore beschminkt. Die meisten Fans trugen statt eines Nationalmannschaftstrikots aber die Kluft ihrer Vereine. Blau-weiß gestreift etwa die Reisegruppe aus Bonn, grün-weiß jene aus Halle, die meisten Anhänger blieben undercover im schlichten Zivillook. Sehr wenige streiften ein Trikot der Nationalmannschaft über.

Am Preis des offiziellen Trikots (die unverbindliche Preisempfehlung betrug 49,95 Euro) oder an dessen Verfügbarkeit (sein exklusiver Vertrieb erfolgte über den Partnerstore des Dachverbandes) dürfte dieses Bild nicht eigentlich gelegen haben. Denn tatsächlich trugen auch nur die wenigsten Schweden- oder Finnland-Fans offizielles Merchandising. Viele weichten statt dessen auf ähnliche gelb-blaue oder eben weiß-blaue Shirts aus, andere schlüpften in Fußball- oder Eishockey-Trikots. Hauptsache die Farbe passt. Die Schweizer und Tschechen taten es ihnen gleich, ebenso die Norweger, Dänen oder Letten.

So scheint es, dass der Grund für diese optische Zerklüftung deutscher Fans in nichts Praktischem lag. Viel mehr ist Floorball-Deutschland immer noch ein Vielvölkerstaat, in dem der Verein über dem Verband zu stehen hat. Für allzu viele gibt es kein großes Ganzes, keine gemeinsame Schnittmenge, in der man sich verbündet. Setzt man sich doch mal für die Gemeinde ein, muss am Ende auch etwas für den eigenen Verein rumkommen. Das ist gar nicht böse gemeint. Aber es fehlt ein Gefühl.

Ein Grund dafür ist die Annahme, dass der Dachverband seine Arbeit nicht richtig macht und somit keinerlei Unterstützung verdient. Solidarität oder Kooperation mit ihm oder seinen Stellvertretern sind deshalb aufs Allernötigste zu reduzieren. Diese Abtrünnigkeit manifestiert sich dann etwa bei der Teilhabe an bundesweiten Projekten, an der Bereitschaft Aufgaben in Kommissionen zu übernehmen oder sich für die Austragung von Events zu bewerben. Auch deshalb sind viele wichtige Projekte bereits gescheitert (z.B. Bundesligarat) oder standen kurz davor (z.B. Final4).

Tatsächlich tut sich der Dachverband mit der Kommunikation der eigenen Arbeit immer noch schwer. Weshalb man sich als Fan aber nicht ein weißes Shirt überstreift, um nicht nur dem einen eigenen Spieler auf dem Platz die Treue zu schwören (oder nicht einmal das), lässt sich dann aber doch nur schwer nachvollziehen. Das bunte Mosaik, das fremde Fans in Prag nur mit viel Mühe den Anhängern der deutschen Mannschaft zuordnen konnten, war ein weiteres Beispiel für den deutschen Vielvölkerstaat. Leider ein für alle gut sichtbares. Sollte ein bestimmter Anteil vom Verkauf der Trikots in den Pott der Nationalmannschaft geflossen sein, wird es diesmal nicht einmal für einen Teller Svickova gereicht haben.

Der Dachverband darf stolz auf das Engagement der angereisten Fans sein, wird aber gleichzeitig noch weiter an der bundesweiten Identifikation mit der Nationalmannschaft arbeiten müssen – womit man im vergangenen Jahr unter dem neuen MOEK-Chef Sebastian Zender vielversprechend angefangen hat. Sofern die deutschen Anhänger das nächste Mal auch nach außen nicht als floorballinteressierte Touristen, sondern als echte Fans durchgehen wollen, wird ihr Auftritt eine visuelle (und ggf. auch akustische) Überarbeitung erfordern. Macht dann übrigens auch viel mehr Laune.

Fotos: Martin Flousek, Ondrej Klima (IFF)

Aktualisierung vom 15.01.2018, 15:42 Uhr: Sebastian Zender hat der Redaktion mitgeteilt, dass er seit dem 31.12.2018 nicht mehr im Amt als MOEK-Vorsitzender weilt.